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Technik und Gestaltung
Foto von Armin Rimoldi
Es war am 20. April dieses Jahres, da verรถffentlichte das Statistische Bundesamt Daten zu Menschen, die in Deutschland leben und eine Migrationsgeschichte haben. Bevor wir genauer auf die aus dem letzten Mikrozensus entnommenen Daten blicken, sollten wir schauen, wie die untersuchte Gruppe von der Behรถrde definiert wird, Zitat: โInsgesamt umfasst die Bevรถlkerung mit Migrationsยญhintergrund alle Personen, die entweder selbst nicht mit deutscher Staatsanยญgehรถrigkeit geboren sind oder bei denen mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsanยญgehรถrigkeit geboren ist.โ
Hauptergebnis der Untersuchung: 20,2 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, sie haben einen Migrationshintergrund, fast ein Viertel unserer Bevรถlkerung also. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Mehr von 1,2 Millionen. Auffallend, aber auch selbsterklรคrend ist die steigende Zahl der Migranten aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan.
Die Grรผnde fรผr das Verlassen des Heimatlandes sind vielfรคltig: Hauptursache bleiben weiterhin Flucht und Vertreibung, knapp 28 % der Befragten geben dieses Motiv an. Erwerbstรคtigkeit mit etwas mehr als 24 % und Familienzusammenfรผhrung mit annรคhrend 24 % folgen. Ca. 8 % der Einwanderer mรถchten ihre Ausbildung oder ein Studium in Deutschland absolvieren.
Das Zuhause hinter sich lassen, in ein anderes Land gehen. Freiwillig, um zu lernen und zu wachsen, unfreiwillig um in Sicherheit zu sein, Grรผnde gibt es viele. Welche auch immer es sein mรถgen, woanders neu anzufangen fรคllt schwer. Schlecht, wenn man dann Ablehnung erfรคhrt. Gut, wenn man gern gesehen ist und unterstรผtzt wird. Menschen, die zu uns kommen, sie erleben beides.
Menschen mit Migrationshintergrund: Ich gratuliere meinen beiden Brรผdern und mir. Was uns eint? Wir drei gelten als eben solche, unsere Vรคter stammen aus Indien, Afrika und Groรbritannien. Nur unsere Schwester, sie ist nicht Teil dieser Gruppe. Wรคhrend diese und einer meiner Brรผder zur Adoption freigegeben wurden, wuchs ich mit dem verbleibenden Bruder auf. Sein Vater war indischer Herkunft und ins Land gekommen, um Geld zu verdienen, sich eine Zukunft aufzubauen. Aus meiner Perspektive der natรผrlichste und legitimste Grund fรผr Migration. Mein Vater, ein Brite, war einfach nur in Celle stationiert und kehrte irgendwann nach England zurรผck. Ich kenne ihn nicht.
Meinem Bruder und mir wurde schnell bewusst, wir wuchsen in den 70iger Jahren auf, dass wir irgendwie nicht dazugehรถrten zu der Gesellschaft und auch, dass man auf uns โ aus vermutlich unterschiedlichen Grรผnden, die unter anderem in einer Nichtanpassung an sonstige gesellschaftliche Normen ihren Ursprung hatten โ herabschaute. Beschimpfungen und verรคchtliche Bemerkungen waren an der Tagesordnung, Tommy-Bastard ist einer der Begriffe, an den ich mich noch entsinne. Und aufgrund des auffรคllig anderen Hauttones musste mein mit mir aufwachsender Bruder rassistische Anfeindungen รผber sich ergehen lassen, immer wieder. Dass unsere Mutter mit ihren vier nicht ehelichen Kindern mit in die Tiraden einbezogen wurde, vermag man sich vorzustellen.
Unser Umgang mit diesem Phรคnomen? Leiden, aushalten, irgendwann genug Selbstwert-gefรผhl entwickeln und einfach sein Ding machen. Genau das haben mein Bruder und ich getan. Umgeben und auch unterstรผtzt von Menschen, fรผr die das keine Rolle spielte.
Warum dieser Rรผckblick? Nun, damals war es dieses nicht nรคher zu definierende Gefรผhl kein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein. Abneigung und Ausgrenzung waren erlebbar, es fehlte aber noch so etwas wie ein Label, ein Status. Der Begriff โMenschen mit Migrationshintergrundโ wurde uns nun zugewiesen. Danke, wir wissen jetzt endlich, wer wir sind, was uns ausmacht, uns definiert, es ist unsere Herkunft. Wirklich, wahrhaftig?
Oh, und integrieren mรถchten wir uns bitte auch noch. Ich kann hier nur fรผr mich sprechen: Kooperation, Akzeptanz des hier gesetzten Rahmens des Zusammenlebens: Ja. Integration in eine Welt, die mir immer wieder mit Ablehnung begegnet ist aus unterschiedlichsten Grรผnden und dies bis heute tut: Nein, Danke. Es sind die Worte meiner Groรmutter, die nachhallen. Bei all ihrer konservativ bรผrgerlichen Grundhaltung und den dazugehรถrigen Wertvorstellungen, begegnete sie uns mit Liebe, fรถrderte unser Wohlergehen, wir waren ihre Enkel und sie unsere Oma. Und manchmal sagte sie, auch den Anfeindungen der Auรenwelt begegnend: โWir machen uns mit den Leuten nicht gemein.โ Damit bezog sie sich auf vielerlei. Fรผr mich ein Satz, den ich allen freundlich entgegne, die mich ablehnen, weil ich bin, wer ich bin.


