netkiosk.digital

Wo Meinungen aufeinander treffen

Willkommen in Europa! So aber nicht!

Foto von Markus Spiske auf Unsplash

Autor und Sprecher

avatar
Elisabeth Siefert
avatar
Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

avatar
Thorsten A. Siefert

Foto von Markus Spiske auf Unsplash

Ich musste noch einmal zurรผckblรคttern in unserem netkiosk.digital-Archiv Und dann fand ich ihn, den Artikel รผber den BBC-Sportexperten Gary Lineker. Zur Erinnerung: Er hatte sich kritisch zur Asylpolitik und dem dazugehรถrigen Sprachgebrauch der britischen Regierung geรคuรŸert. Nach einer kurzen Suspendierung und Solidaritรคtsbekundungen von Gleichgesinnten konnte Lineker schnell wieder auf den Bildschirm zurรผckkehren. Der asylpolitische Ansatz der Briten im Umgang mit Bootsflรผchtlingen war das, woran sich der Moderator zurecht gestoรŸen hatte: Die Betroffenen sollen unmittelbar interniert und nach 28 Tagen wieder des Landes verwiesen werden. Eine Prรผfung ihres Anrechts auf Asyl erfolgt erst dann, wenn sie nicht mehr in GroรŸbritannien sind. Dieses Vorgehen โ€“ Ende April vom Unterhaus bereits beschlossen โ€“ ist menschenrechtsverletzend.

Um wie viel besser ist nun der Ansatz der Bundesregierung, Asylverfahren an den EU-AuรŸengrenzen durchzufรผhren? Faktisch entspricht dies zunรคchst einmal dem Dubliner Abkommen. In diesem ist geregelt, dass ein Geflรผchteter in dem Staat um Asyl bitten soll, mit dessen Betreten er erstmalig EU-Raum erreicht. Bundesinnenministerin Faeser erklรคrte Ende letzter Woche das geplante Vorgehen mit dem Ziel einer besseren Verteilung der Berechtigten innerhalb Europas: Dort, wo die jeweilige Person ankommt, wird sie erfasst und identifiziert werden. Das Verfahren โ€“ dessen Rechtsgrundlage noch unklar ist โ€“ soll insgesamt nicht lรคnger als zwรถlf Wochen dauern. Danach ist eine Weiterreise in einen โ€žsolidarischen Mitgliedsstaatโ€œ geplant. Diese allerdings beschrรคnken sich bislang auf die Bundesrepublik, Frankreich, Belgien und Schweden.

Kritik an dem Entwurf kommt von unterschiedlichen Seiten. Man mรผsse der โ€žirregulรคren Migrationโ€œ deutlicher begegnen. Unklar bleibt, was konkret damit gemeint ist. Am 10. Mai werden Lรคnder und Bund in der Asylfrage wieder aufeinandertreffen. Von einigen Ministerprรคsidenten geht eine Initiative aus, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern. Diese kann man sich als eine Art Asylfilter vorstellen: Kommt jemand aus einem von der Bundesrepublik als sicher eingestuften Land, kann sein Antrag auf Aufnahme abgelehnt und das Abschiebungsverfahren eingeleitet werden. Schwierig, wenn die konkrete Prรผfung auf ein Recht auf Asyl unterbleibt. Dahinter eine Politik, die auf Abschreckung setzt und in Kauf nimmt, dass potenzielle Berechtigte nicht identifiziert und ihnen folglich kein Aufenthaltsrecht gewรคhrt wird.

Personen mit queerer Identitรคt werden in einigen afrikanischen Staaten, die nun auf die Liste sollen, verfolgt, in Gefรคngnisse gesperrt und gefoltert. Begrรผndung fรผr die Aufnahme der Herkunftslรคnder Algerien, Marokko, Tunesien und auch Georgien in den Katalog: Nur wenig Anerkennungsverfahren von Flรผchtlingen aus diesen Regionen hรคtten in der Vergangenheit Erfolg gehabt. Das dahinter liegende Motiv: Menschen, die von dort kommen, fielen in den Kriminalstatistiken der Bundeslรคnder deutlich auf. Ist das die Rรผckkehr zum Prinzip Sippenhaft? Klar ist doch wohl: Ein nicht den Einzelfall prรผfendes Verfahren stellt schlichtweg ein menschenrechtliches NO-GO dar.

Kommen wir zurรผck zum Vorschlag der Bundesregierung.  Nicht geregelt ist bislang, an welchem Ort genau die Hilfesuchenden diese maximal zwรถlf Wochen verbringen sollen. Unterkรผnfte mรผssten geschaffen werden, die alles bieten, was fรผr ein menschenwรผrdiges Leben in einem Transitzustand erforderlich ist. Kinderbetreuung, Schulen, รคrztliche Versorgungseinrichtungen und vieles mehr wรผrden benรถtigt werden. Zudem wรคre in diesen Erstaufnahmezentren ein entsprechender Verwaltungsapparat einzurichten, Personal fรผr all die zu erledigenden Aufgaben einzustellen und zu schulen. Vor Augen habe ich hier ein groรŸes, unรผbersichtliches Flรผchtlingslager, das von einem nicht zu รผberwindenden Zaun umgeben ist. Und wer kontrolliert, ob alle dort durchgefรผhrten Asylverfahren rechtstaatlichen Prinzipien folgen? โ€žWillkommen in Europaโ€œ stelle ich mir so nicht vor.