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150 Jahre!

Foto von Ketut Subiyanto: https://www.pexels.com/de-de/foto/hande-geschaft-sitzung-zustimmung-4963437/

Autor und Sprecher

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Elisabeth Siefert
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Ketut Subiyanto

Wenn auch mit zwei Tagen Verspรคtung, so mรถchten wir es doch nicht missen, dem Jubilar zu gratulieren. 150 Jahre, ein beachtliches Alter. Das exakte Geburtsdatum ist der 9. Mai 1873. Die Geburtshelfer: Streiks, Kรผndigungen, schlieรŸlich der Wille zur Einigung auf beiden Seiten. Er brachte die Einfรผhrung des 10-Stunden-Tages und einen Wochenmindestlohn von 19,80 Mark fรผr die Leipziger Drucker. Kein Abschluss eines Betriebes fรผr seine Mitarbeiter, sondern fรผr alle Drucker in der Region. Der Begriff dafรผr: Flรคchentarifvertrag.

Was bitte genau ist das? Diese Form des รœbereinkommens stellt einen Abschluss zwischen Arbeitnehmern und -gebern dar, der fรผr einen bestimmten rรคumlichen und gewerblichen Bereich gilt. Also genau so, wie seinerzeit bei den Leipziger Druckern 1873. Tarifgebiete, das kรถnnen heute einzelne Regionen oder auch Bundeslรคnder sein. Da sich der Abschluss immer auf einen bestimmten Wirtschaftsbereich bezieht, spricht man dann beim Flรคchentarifvertrag auch vom Branchentarifvertrag. Abgrenzen kann man diese Art der รœbereinkunft vom Firmentarifvertrag, wie ihn zum Beispiel groรŸe Autohersteller mit ihren Arbeitnehmern vereinbaren.

Die Vorteile eines solchen Abschlusses, sie sind offensichtlich. Nicht jede einzelne Firma einer Branche und Region muss einzeln mit den Arbeitnehmern verhandeln, das spart Kosten auf beiden Seiten. Zudem wird der Konflikt รผber die unterschiedlichen Vorstellungen zwischen den Tarifparteien auรŸerbetrieblich verhandelt und entschieden. Wichtig auch: Da sich gleiche Bedingungen und Lรถhne aus den รœbereinkรผnften ableiten, erzielt kein Unternehmen, das den Vertrag anerkennt, einen Wettbewerbsvorteil.

Die Flรคchentarifvertrรคge, sie entwickelten sich zunรคchst zum Erfolgsmodell. Heute allerdings sind sie lรคngst nicht mehr fรผr alle Beschรคftigten gรผltig. Statt einer vollstรคndig verbindlichen Vereinbarung sind flexible Insellรถsungen offenbar das Zukunftsmodell, die dann je nach Betrieb und den dort herrschenden Umstรคnden adaptiert werden.

Dass Tarifvertrรคge je nach Unternehmen unterschiedlich umgesetzt werden, dies liegt auch an den sogenannten ร–ffnungsklauseln. Dank jener kann von Regelungen des vereinbarten Vertragswerkes unter bestimmten, nรคher definierten Umstรคnden abgewichen werden. Ein mรถgliches Beispiel: Der einzelne Betrieb befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten und zum Zwecke der Erhaltung der Firma verzichten die Mitarbeiter fรผr einen gewissen Zeitraum auf eine Erhรถhung des Lohns, ggf. auch einen Teil ihrer Einkรผnfte. Dies ist aber nur unter bestimmten Bedingungen realisierbar, sodass Tรผr und Tor nicht fรผr alle mรถglichen Abweichungen offenstehen, die den eigentlichen Vertrag aushรถhlen kรถnnten.

Und die Zukunft: Insellรถsungen und immer mehr ร–ffnungsklauseln? Das liegt vor allem auch in den Hรคnden der Politik, die die Rahmenbedingungen festlegt. Der Hauptvorteil der รœbereinkรผnfte in ihrer Form als Flรคchentarifvertrรคge, liegt in dem von ihnen gestifteten sozialen Frieden, in der Gleichbehandlung der in einer bestimmten Region und Branche Beschรคftigten, aber ebenso in der Beruhigung des Wettbewerbs, in der nicht kurzfristige Lohnkostenvorteile, sondern die Qualitรคt der Produkte รผber den Erfolg einer Firma bestimmen.

Wichtig ist, dass sich Mitarbeiter und Unternehmer als eine Gemeinschaft verstehen, die zwar Interessenkonflikte hat und diese auch austrรคgt, aber deren รผbereinstimmendes Ziel ein Gelingen des wirtschaftlichen Handelns des Unternehmens und dessen Erhaltung ist. Das Rezept dafรผr orientiert sich an dem, was man als Garanten fรผr eine gelungene Beziehung bezeichnen kรถnnte: Konstruktive Konfliktbewรคltigung, Zukunftsorientierung sowie das Primat der Fortfรผhrung des gemeinsamen Weges.