Autor und Sprecher
Technik und Gestaltung
Foto von Emmanuel Codden
Der Traum vieler Menschen: Ein kleiner Garten, der Rasen immer frisch gemรคht, vielleicht eine Doppelgarage mit Rolltor samt der ordentlich gepflegten Zufahrt, im Zentrum das eigene Haus. Das Glรผck vieler Bundesrepublikaner liegt im Besitz einer Immobilie. Damit man sich diese โ am besten selbst neu gebaut โ leisten kann, werden รberstunden gemacht, Wochenenden auf der Baustelle verbracht. Auch auf Urlaube wird so lange verzichtet, bis das Eigenheimglรผck sich schlieรlich fertiggestellt vor den mittlerweile blank liegenden Nerven seiner Besitzer entfaltet. Fรผr die Kinder, fรผr die Zukunft, zur Absicherung des Alters. So ein Haus, meist in der Variante Einfamilienรผberdachung bevorzugt, muss ganz offensichtlich eine Menge kรถnnen.
Die Vorteile aus Sicht der Eigenheimbesitzer sind klar: Mehr Platz fรผr die Familie, bessere Entfaltungsmรถglichkeiten fรผr die Kinder, selbstbestimmtes Gestalten des Wohnraums, weniger Bevormundung durch Nachbarn, die auch gerne mal an die Wand klopfen, wenn die Party zu laut ist und zu lange dauert. Ja, das ist alles richtig. Aber was ist der Preis fรผr diese Vorzรผge?
Zu viel verbrauchter Platz, zu viel zusรคtzlich versiegelte Flรคche. Das sind die Hauptargumente der Mรผnsteraner Ratsmehrheit, die per Beschluss die Mรถglichkeiten fรผr den Bau weiterer alleinstehender Einfamilienhรคuser nun deutlich begrenzt. Die Zukunft sieht man in Reihen- und vor allem Mehrfamilienhรคusern. Ergebnis: Eine bessere Energiebilanz und geringerer Platzverbrauch: Auf der gleichen Flรคche, auf der man 25 Einfamilienhรคuser bauen kann, kรถnnten 160 Wohneinheiten auf vier Etagen in Mehrfamilienhรคusern entstehen, so rechnet man in Mรผnster vor. Dass auch die Baukosten geringer sind und zudem weniger Ressourcen bei Bevorzugung dieser Bauweise benรถtigt werden, sind weitere Vorteile. Und nicht nur Mรผnster sieht das mehrheitlich so, auch in Hamburg-Nord wird seit 2020 der Bau von Einfamilienhรคusern nicht mehr genehmigt.
Kritisch kann man solchen Vorhaben entgegensetzen, dass neue Wohngebiete mit Mehrfamilien- einheiten natรผrlich eine entsprechende Infrastruktur benรถtigen. Wo mehr Menschen miteinander leben, mรผssen Wege, Kanรคle und auch die Anbindung an den รถffentlichen Nahverkehr eingeplant werden. Wichtig sicher auch: Die in den sechziger und siebziger Jahren entstandenen Trabantenstรคdte sollten mahnend im Gedรคchtnis der Planer verankert sein, sie waren und sind kein Erfolgsmodell.
Gegenwind kommt erwartungsgemรคร von den Verbรคnden der Wohneigentรผmer. Maรnahmen wie die in Mรผnster seien ein Eingriff in die persรถnliche Freiheit. Ist diese wirklich eingeschrรคnkt, wenn ich an bestimmten Orten โ auf dem platten Land wird das noch eine ganze Weile anders sein โ kein neues Einfamilienhaus mehr bauen kann?
Es gibt Alternativen. Wer gerne eine eigene freistehende Wohneinheit besitzen mรถchte, der kann zunรคchst einmal auf Bestandsbauten ausweichen, die immer wieder angeboten werden, wenn deren Bewohner altersbedingt ausziehen. Ein solches Objekt lรคsst sich wunderbar entlang der eigenen Wรผnsche und Bedรผrfnisse anpassen und gestalten. Auch eine Einheit in einer Reihenhaussiedlung kรถnnte eine geeignete Option sein. Dann sind da noch die Mehrfamilienhรคuser: Sie bieten heute fรผr jeden Bedarf architektonisch gut gestaltete Wohnungen mit kleinen Gรคrten, Terrassen, groรzรผgigen Balkonen und vielem mehr. Diese mรผssen nicht immer neu gebaut werden: Wie aus bestehenden Plattenbausiedlungen moderner Wohnraum erschaffen werden kann, zeigen unterschiedliche Beispiele aus den รถstlichen Bundeslรคndern.
Ich glaube, wie man wohnt, hat auch mit Gewohnheiten zu tun. Und die sind bekanntlich schwer zu รคndern. Es scheint fast so, als wenn das Streben nach Wohneigentum an sozialisiert bzw. anerzogen wird und der Mensch sich dann nichts anderes vorstellen kann, als genau diesen oder einen zumindest รคhnlichen in der Kindheit erlebten Wohnzustand anzustreben. Lohnt es sich wirklich, einen enormen Aufwand zu betreiben und selbst neu zu bauen? Wenn doch unsere Umwelt von modernen, ressourcenschonenden und auch energiesparenden Konzepten profitiert, ist zumindest das Umbauen von vorhandenen freistehenden Hรคusern, besser aber eben das Leben in grรถรeren Wohneinheiten, ein so groรes Opfer, dass man von der Einschrรคnkung persรถnlicher Freiheiten sprechen muss?


