Autor und Sprecher
Technik und Gestaltung
Foto von Emma Bauso
Soweit hรคtte es nicht kommen dรผrfen. Nicht in einer freiheitlichen Demokratie, nicht in unserem staatlich organisierten Bildungssystem, dessen Auftrag es ist, zentrale Werte unserer Bundesrepublik als wichtig und unbedingt schรผtzenswert zu vermitteln. Es ist die vornehmste Aufgabe des Staates, diese Werte zu verteidigen und bei รbertretungen derselben deren Beachtung anzumahnen, ggf. auch Sanktionen zu verhรคngen, wenn nicht verstanden wird oder werden will, dass das demokratische Fundament der Bundesrepublik unantastbar und unverrรผckbar ist.
Wenn Menschen gehen, alles hinter sich lassen, dann muss eine Menge passiert sein und sich entgegen aller Bemรผhungen und Anstrengungen in einer Sache nichts geรคndert haben, obwohl der Handlungsbedarf unรผbersehbar und nicht zu ignorieren war. Wenn Unertrรคgliches unertrรคglich bleibt, wenn es an Solidaritรคt und Unterstรผtzung fehlt, man stattdessen Ablehnung oder Schlimmeres erfรคhrt, wenn notwendige staatliche Maรnahmen entweder unterbleiben oder einfach nicht greifen, dann tritt irgendwann Resignation ein, die in ein Aufgeben mรผndet. Erfahrungen und Gedankengรคnge, die so oder so รคhnlich dazu gefรผhrt haben mรถgen, dass zwei Menschen eine Konsequenz zogen: Laura Nickel und Max Teske, zwei junge engagierte Lehrer, tรคtig an einer Schule in Burg, das liegt im Spreewald des Landes Brandenburg werden im nรคchsten Schuljahr dort nicht mehr unterrichten.
Was genau fรผhrte dazu? Es war im โฆ, wir berichteten darรผber, als die jungen Pรคdagogen einen Brandbrief verfassten. Er beschrieb die Zustรคnde in der Bildungseinrichtung, an der rechtsextrem orientierte Schรผler offenbar die Oberhand haben. Hitlergrรผรe, rechte Musik in den Klassenrรคumen, stรคndige Diffamierung von Mitschรผlern, die einen Migrationshinter-grund haben, Bedrohungen, Mobbing, Sexismus und Homophobie โ die ganze Bandbreite des Hรคsslichen und dringend Einzudรคmmenden.
Was genau dann passierte, weiร man nicht. Das Bildungsministerium teilte mit, man habe sich um die Schule und die beiden Pรคdagogen gekรผmmert. Dem entgegen steht die Darstellung des Lehrers Max Teske. An der Schule habe sich nichts geรคndert, das Kollegium sei gespalten. Einige Eltern hatten zudem gefordert, dass die beiden gehen sollen. Sie seien politisch aktiv und hรคtten ein eigenes Bild von Demokratie. Teske und auch seine Kollegin Nickel beschlossen schlieรlich, zum Ende des Schuljahres die Schule zu verlassen und stellten entsprechende Versetzungsantrรคge.
Am letzten Mittwoch schlieรlich der illegale Aushang von Bildern der jungen Lehrer in Burg, untertitelt mit einer Aufforderung an die beiden, doch nach Berlin zu gehen. Zudem war auf Instagram ein Account eingerichtet worden. Hier rief man zur Jagd auf beide auf. Und der Vorsitzende der AfD in Cottbus รคuรerte sich begeistert รผber den Weggang in einem Posting auf Twitter, in welchem er mitteilte: โBรผrgerliches Engagement wirkt. Linksliberaler Denunziant verlรคsst Burger Schule.โ
Dass ihr Engagement richtig und angemessen war, zeigte sich nicht nur dadurch, dass sich auch die Schรผler alsbald รผber die Ereignisse an der Mina-Witkojc-Schule mitteilten, sondern sich in der Folge des Brandbriefes Menschen aus der Region zu einem โBรผndnis fรผr mehr Demokratieโ zusammenfanden. Zudem erfolgten nach dem รถffentlichen Schreiben von Max Teske und Laura Nickel von anderen Schulen verstรคrkt Meldungen รผber dort auftretenden Rechtsextremismus an die entsprechenden Aufsichtsbehรถrden.
Der Weggang der beiden jungen Lehrer von ihrer Schule hinterlรคsst einen furchtbaren Nachgeschmack. Wenn auch nur der Eindruck entsteht, dass es dem Staat nicht gelingt, die fรผr unsere Gesellschaft zentralen Werte durchzusetzen und jene zu schรผtzen und zu unterstรผtzen, die sich genau fรผr diese einsetzten, dann gleicht das fast schon einer Kapitulationserklรคrung. Das rechtsextreme Krรคfte gerade in einer das Bildungswesen betreffenden Angelegenheit augenscheinlich obsiegen, muss den Rechtsstaat und seine Institutionen wachrรผtteln.
Den Bundesprรคsidenten jedenfalls haben die jรผngsten Ereignisse in Brandenburg unruhig werden lassen. Er resรผmiert, dass man wieder Menschen davon รผberzeugen mรผsse, dass die Demokratie nicht vom Himmel gefallen sei. Sie lebe davon, dass Menschen sich fรผr sie einsetzen. Das, Herr Steinmeier, ist vollkommen richtig und wie das Geschehene zeigt, ist es allerhรถchste Zeit fรผr alle an der Demokratie Beteiligten initiativ zu werden, um unser Staatswesen und die Menschen, rechtsextremer Gewalt und รbergriffen ausgesetzt sind, zu schรผtzen.


