netkiosk.digital

Wo Meinungen aufeinander treffen

Bitte keine Werbung einwerfen!

Ein Briefkasten mit einem schiefen Schild „Bitte keine Werbung“. Davor steht eine Person mit melancholischem Blick, während hinter ihr ein bunter Strom aus flatternden Prospekten, Angeboten, Gartendeko, Pfannen und Rabattschildern vorbeizieht – fast wie ein verlockender Traum, der an ihr vorbeirauscht. Stil: Satirisch-humorvoll, leicht überzeichnet im Comicstil, fröhlich-bunte Farben (Rot, Gelb, Grün, Pastellblau) – Kontrast zwischen grauer Realität (Briefkasten) und bunter Konsumwelt.

Autor und Sprecher

avatar
Christian Spengler
avatar
Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

avatar
Thorsten A. Siefert

Illustration mit KI erstellt

Sie sind ein Langweiler. Das gilt vor allem dann, wenn an Ihrem Postkasten die folgende Botschaft in kaum lesbarer Handschrift, meist schief befestigt, klebt: Bitte keine Werbung einwerfen! Sie wissen folglich gar nicht, was Ihnen da entgeht. Denn Ihre brüsk formulierte Ablehnung von konsumrelevanten Verbraucherinformationen, lässt Sie ein Sonderangebot nach dem nächsten verpassen.

Doch zunächst: Ihnen entgehen auch noch wichtige Nachrichten, deren Relevanz für Ihre Lebens- und Freizeitgestaltung Sie ganz offenbar nicht erkannt haben. Um die Sammlung unterschiedlicher Werbeblättchen legt sich meist ein Presseprodukt, das vorgibt eine zeitungsähnliche Publikation zu sein. Präsentiert wird einem ein Informationsmix von Beiträgen, die vom Polizeibericht, einer Reportage über das Jahresfest des Kleingartenvereins bis zu vermeintlich redaktionellen Texten reichen, in denen das Elektrogeschäft in der Ortsmitte vorgestellt wird, das übrigens und vollkommen zufällig in dieser Woche Waschmaschinen im Angebot hat.

Dazu werden meist noch die aktuellen Termine der drei örtlichen Volkshochschulkurse aufgelistet und ein Farbfoto zeigt die Ehrung der schnellsten Teilnehmer am Ortslauf. Man sieht die Damen und Herren auf der Siegertreppe stehend, wie sie von Freude überwältigt die Theatergutscheine der Ortsbühnenlaiengemeinschaft für deren Herbstaufführung entgegennehmen. Kultur also auch noch.

Viel entscheidender als die unfassbar informative Umverpackung sind aber die Prospekte der Discounter, Möbel- und Elektrogeschäfte in nächster Umgebung. Nicht dass man deren Angebote auf diversen Internetseiten oder in Apps genauso studieren und sich daraus einen elektronischen Einkaufszettel basteln kann. Wer macht schon so etwas?

Das wirkliche Glück am Samstagnachmittag oder Sonntagmorgen durchfährt einen doch, wenn man am Tisch oder auf dem Sofa entspannt sitzend durch die farbenfroh präsentierten KaufEin-Publikationen blättert. Was hier an- und dargeboten wird, ist gleichsam zum Greifen nah. Dieses Gefühl bietet keine Applikation auf einem Smartphone oder dem iPad.

Mensch kann das Bratergebnis, das man mit der neuen Lidl-Pfanne erzielen wird, schon fast schmecken. Mensch fühlt das warme Wasser wohlig an sich herabfließen, während er das Angebot für die LED-Wellness-Handbrause studiert. Und Mensch ist entzückt, wenn er sich die Präsenz der Aldi-LED-Gartenlaterne in die Zukunft blickend vergegenwärtig. Wie wird es sein, wenn er mit seinem Liebsten auf den im gleichen Geschäft erhältlichen bequemen Stühlen mit bunten Polstern gen Sternenhimmel schaut und beide dabei ein Glas Irgendwas trinken, das der Fastvollsortimenter diese Woche auch zu einem wirklich guten Preis offeriert. Das Mensch keinen Garten, sondern einen Balkon hat, stört dabei nicht wirklich. So eine Laterne kann man ja abends mit in die Wohnung nehmen, da macht sie sich auch sehr schön.

Es ist also eine unbändige Vorfreude, ausgelöst von den Produktempfehlungen, die die Fantasie des Lesenden so ankurbelt, das er fasziniert von Dingen ist, die er eigentlich nicht braucht, nun aber unbedingt haben muss. Wer sich dem verweigert, indem er ein Konsuminformationenablehnungsschildchen an seinen Briefkasten klebt, der lässt sich fantastische sinnliche Erfahrungen der Vorfreude entgehen.

Zudem verweigert er seinem Gehirn den Zugang zu gartenlaterenen-induzierten Projektions-Glückshormonen. Und der Wirtschaft schadet er zudem, weil er die Inlandsnachfrage schwächt und Arbeitsplätze gefährdet. Wie unsolidarisch ist doch eine solche Haltung. Wenn Sie so denken, dann überdenken Sie dies bitte. Noch ist es Zeit umzukehren. Welche Freuden Sie erwarten wissen Sie ja nun. Was ich Ihnen nicht verraten habe ist, wie Sie sich fühlen werden, wenn für Sie vollkommen unerwartet zur Wochenmitte Prospektnachschub erhalten und von magischen Kräften geleitet wie hypnotisiert den Weg zu einem holländischen Allerleidiscounter finden werden.