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Wo Meinungen aufeinander treffen

KI – Zwischen Unterstützung und Abhängigkeit

Heureka-Moment.

Autor und Sprecher

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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

(es gilt das gesprochene Wort)

Hallo und herzlich willkommen zu unserer heutigen Podcast-Episode.

Neulich ertappte ich mich dabei, wie ich reflexhaft ein KI-Tool für eine eigentlich simple Aufgabe um Hilfe bitten wollte, statt selbst nachzudenken. Das brachte mich zum Nachdenken.

Künstliche Intelligenz kann uns das Leben ungemein erleichtern. Sie beantwortet Fragen in Sekunden, schreibt Texte und übersetzt, navigiert uns durch fremde Städte. Doch was macht das mit uns? Ich bin wahrlich kein Technikskeptiker, sondern als jemand, der Fortschritt schätzt und meist als „early adopter“ unterwegs ist. In meinem beruflichen und privaten Alltag merke ich, wie praktisch KI-Unterstützung ist. Aber auch die leise Sorge wächst, dass wir Menschen dabei etwas verlernen: nämlich selbst zu denken.

Aber ich beobachte bei mir und meinem Umfeld einen doppelten Effekt: Einerseits eröffnet KI neue Möglichkeiten und nimmt uns mühsame Aufgaben ab. Andererseits droht unsere geistige Eigenleistung zu verkümmern, wenn wir uns zu sehr auf Maschinen verlassen. Diese Ambivalenz – Hilfe durch Technik vs. Abhängigkeit – ist nicht neu, doch mit KI erreicht sie eine neue Dimension.

Ein Blick zurück zeigt, dass diese Sorgen nicht neu sind – und auch nicht völlig unbegründet. Ich gehöre zur Generation, die in der Schule erstmals Taschenrechner einsetzen durfte. Damals sagten unsere Lehrer besorgt: „Ihr verlernt das Kopfrechnen!“ Ein bisschen Recht hatten sie: Wir wurden definitiv schlechter darin, große Zahlen im Kopf zu multiplizieren. Gleichzeitig gewannen wir aber Raum, um komplexere mathematische Probleme anzugehen. Wir mussten lernen, diese Technik bewusst einzusetzen, anstatt blind darauf zu vertrauen. Genau darum geht es auch jetzt wieder.

Heute sehe ich ein ähnliches Muster, etwa bei Navigations-Apps wie Google Maps. Wer nutzt nicht gern diesen praktischen Begleiter, der uns stressfrei ans Ziel bringt? Ich selbst verlasse mich gerne darauf. Aber manchmal frage ich mich: Finde ich ohne diese App überhaupt noch meinen Weg in einer fremden Stadt? Trainiere ich meinen Orientierungssinn überhaupt noch?

Oder denken wir an Telefonnummern: Früher wusste ich Dutzende davon auswendig. Heute kenne ich gerade mal eine Handvoll. Schließlich liegt alles bequem auf Knopfdruck bereit. Doch genau das macht mir bewusst, wie viel ich mittlerweile an Technik delegiert habe – und wie wenig ich mein eigenes Gedächtnis herausfordere.

Natürlich spart das Zeit und Hirnkapazität für anderes – aber es zeigt, wie stark wir auf Technik als geistige Krücke setzen. Selbst im Berufsleben sehen wir Parallelen. In kreativen Jobs schreiben KI-Assistenten E-Mails oder Codezeilen vor. In Büros formuliert die Autokorrektur unsere Sätze zu Ende. Was passiert, wenn die Technik versagt?  Zum Glück stürzen wir im Alltag nicht gleich ab, wenn wir uns auf KI verlassen – aber das Prinzip ist ähnlich: Wer seine Fähigkeiten selten nutzt, verliert sie allmählich. Unser Gehirn ist formbar und passt sich an. Was wir häufig auslagern, dafür bildet es irgendwann weniger eigene Kapazitäten aus.

Bedeutet das nun, wir sollten auf KI verzichten und zurück in eine analoge Welt? Nein, keineswegs. Die Antwort liegt für mich in einem bewussteren Umgang. Künstliche Intelligenz ist ein fantastisches Werkzeug, und Fortschritt an sich ist begrüßenswert. Aber Fortschritt heißt auch, die Nebenwirkungen zu erkennen und verantwortungsvoll damit umzugehen. Statt KI entweder euphorisch zu feiern oder panisch zu verteufeln, sollten wir einen Mittelweg finden.

Für mich persönlich heißt das: KI ja, aber mit Kopf. Ich möchte die Bequemlichkeit nutzen, ohne in Denk-Bequemlichkeit zu verfallen. Das kann bedeuten, mir bewusst Zeit zu nehmen, ein Problem selbst zu durchdringen, bevor ich die Maschinen frage.

Und was könnte das für die Gesellschaft heißen? KI kann Routine-Aufgaben abnehmen, aber kritisches Denken und kreatives Lösen müssen wir weiterhin aktiv fördern – gerade weil die Maschinen uns so viel abnehmen können.

Am Ende geht es um eine Balance: Wir sollten KI nutzen, um uns zu verbessern, nicht um uns geistig ersetzen zu lassen. Es ist wunderbar, wenn eine KI uns auf neue Ideen bringt oder Zeit spart. Aber wir dürfen darüber nicht vergessen, wie man eigene Ideen entwickelt. Denn genau das macht uns Menschen aus: unser neugieriger, kreativer Geist. Den sollten wir nicht aus Bequemlichkeit verkümmern lassen.

Fortschritt ist etwas Großartiges – echter Fortschritt ist es aber nur, wenn wir dabei bewusst Mensch bleiben und unsere Fähigkeit zu denken bewahren.

In diesem Sinne: Machen wir uns die Technik zunutze, aber lassen wir nicht zu, dass sie uns das Denken ganz abnimmt.