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netkiosk.digital RADIO – TIM KW 40/24

Gebrochene Maske

Autor und Sprecher

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Elisabeth Siefert
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Verรคrgert bin ich vor allem darรผber, dass der Virus mich doch noch erwischt hat. Aber mit welchem Recht sollte ich ausgespart bleiben? รœber vier Jahre gelang es mir, eine Infektion und die damit verbundene Erkrankung zu vermeiden. Mit viel Um- und Vorsicht, mit Rรผcksicht, mit der Einhaltung aller nur denkbaren Vorgaben, die dazu dienten, mich und andere zu schรผtzen. Und dann im September 2024, exakt am 22. des letzten Monats, hatte ich nachweislich Corona, der Test zeigte zwei Striche und so fรผhlte sich mein Kรถrper an diesem Tag auch an.

Wie Corona heute รผber vier Jahre nach ihrem Ausbruch verlรคuft, davon spรคter. Zunรคchst ein Blick zurรผck. Erste Meldungen รผber ein bislang unbekanntes Virus, das eine Infektion mit Erkรคltungssymptomen hervorruft, erreichten uns im Dezember 2019 aus China. Von einem ersten Toten wurde am 11. Januar von dort berichtet. Das Infektionsgeschehen breitete sich

schnell in unserer globalisierten Welt aus. Und die Erkrankung bekam offiziell den Namen Covid-19, im Sprachgebrauch allerdings hรคlt sich bis heute die Bezeichnung des verantwortlichen Virus: Corona.

Die Gefahr, die von dieser sich zu einer Pandemie ausbreitenden Krankheit ausging, wurde immer deutlicher. Es folgten am 16. Mรคrz 2020 Kindergarten- und SchulschlieรŸungen. Darรผber hinaus wurden Kontakt- und Ausgangsbeschrรคnkungen eingefรผhrt. Der Tourismus brach zusammen, Geschรคfte schlossen. Das Tragen von Schutzmasken im ร–PNV, beim Einkaufen oder auch beim Arzt wurde verpflichtend. Ab Mai und mehr noch im Sommer 2020 kam es zu ersten Lockerungen der SchutzmaรŸnahmen. Im Dezember des gleichen Jahres begann ein erneuter Lockdown. Januar 2021: Gleich zwei Impfstoffe wurden zugelassen, aber trotz einsetzender Impfungen und nicht zuletzt durch ansteckungsfreudigere Mutationen des Virus dauerte die Pandemie weiterhin an und erst im Mรคrz kam es wieder zu ersten Lockerungen, die zum Mai des Jahres hin umfangreicher wurden.

Und als im August 2021 die vierte Infektionswelle begann und der Winter sich nรคhrte, rรผckte das Thema Impfen deutlich in den Vordergrund. Mit besonderen Rechten, die Nicht-Immunisierten vorenthalten wurden, versuchte man die Menschen fรผr Impfungen zu gewinnen. Wir erinnern uns an 2- und 3G bis hin zu 3Gplus Regelungen. Geimpft, genesen oder getestet โ€“ mit einem offiziellen Schnelltest oder bei 3Gplus sogar nur mit PCR-Test โ€“ durften Menschen zum Beispiel die Gastronomie besuchen oder Sport im Innenbereich betreiben. Auch der Zugang zu Fachgeschรคften war zeitweise von diesen Regelungen betroffen. Und an bestimmten Arbeitsplรคtzen mussten sich Nichtgeimpfte jeden Morgen unter Aufsicht testen. Erst dann durften sie ihre Tรคtigkeit aufnehmen.

Das Impfen und der Umgang mit den Nichtgeimpften. Nun kann man nicht sagen, dass ich zimperlich bin. Ich habe schon immer das gesagt und getan, wovon ich รผberzeugt bin und mit den Konsequenzen dessen gelebt. Und spรผrbare Distanzierung, einem sozial entgleisten Arm eines eher gut situierten und gebildeten Familienclans entstammend, der mitleidig auf einen blickte, kannte ich. Als nicht eheliches Kind ohne Vater โ€“ er war britischer Soldat und ich folglich ein โ€žTommy-Bastardโ€œ โ€“ aufzuwachsen, war nicht immer einfach.

Meinem Bruder, mit dem ich gemeinsam groรŸ wurde und dessen Vater Inder ist, erging es auch nicht besser. Rassistische Anfeindungen erlebte er, erlebten wir immer wieder. Und als ich schlieรŸlich ungebremst mein Schwulsein der Welt verlautbarte, musste ich bemerken, dass Akzeptanz in breiten Kreisen der Bevรถlkerung nicht zu erwarten war. Mรถglicherweise Toleranz, diese halte ich noch heute fรผr eine Beleidigung und eine unglaubliche Unverschรคmtheit. Aber das alles habe ich ausgehalten, immer.

Mit der Verweigerung sich impfen zu lassen wurde es nun schwierig. Kollegen, Freunde, sogar entfernte Verwandte versuchten zunรคchst mich zu motivieren. Und in der Tat: Vor dem Hintergrund meiner mitunter nicht guten kรถrperlichen Konstitution wรคre es vielleicht sinnvoll gewesen, sich zu schรผtzen. Aber ich war mir sicher, dass ich mit der Einhaltung aller infektionseindรคmmenden Regeln und MaรŸnahmen zurechtkommen wรผrde. Und auch niemand anderen gefรคhrden wรผrde, was mir ebenso wichtig war.

Ich kam zurecht, Corona blieb mir fern. Aber die fehlende Impfung blieb nicht folgenlos. Unverstรคndnis und durchaus spรผrbare Verachtung fรผr den Nichtgeimpften, Drรคngen sich doch immunisieren zu lassen. Man mรผsse sich unterordnen, ich wรผrde die anderen gefรคhrden und vieles mehr musste ich mir anhรถren. Das Verhalten der Umwelt empfand ich immer mehr als รผbergriffig. Und wรคhrend ich Vorsicht walten lieรŸ, konnte ich von der Spielfeldseite gut beobachten, wie andere wieder in ihre Normalitรคt zurรผckkehrten, deren Umsicht begann nachzulassen.

Erstaunlich, denn zum Jahresende 2021 verbreitete sich die Omikron-Variante des Virus sehr schnell. Sie erwies sich als besonders ansteckend. Und wenn man auch nur entfernt Kontakt zu jemandem hatte, der damit infiziert und man selbst in diesem Moment kurzzeitig ungeschรผtzt war, geriet man trotz negativem PCR-Test als Nichtgeimpfter in Quarantรคne. Die Zeit um Weihnachten 2021 verbrachte ich mit mir selbst, fรผr รผber eine Woche durfte ich meine Wohnung nicht verlassen.

Schon kurz vor dem Fest hatte die Ausgrenzung ein gewisses MaรŸ der Zumutbarkeit aus meiner Sicht รผberschritten. Meinen รผblichen Weihnachtsfernseher konnte ich nicht selbst kaufen, der Zugang zum Mediamarkt war mir schlicht verwehrt. Mein Freund tรคtigte den Kauf fรผr mich, ich musste im Auto warten.

Verstehen Sie mich nicht miss. Ohne Impfungen, Maskenpflicht oder auch tรคgliche Tests an Arbeitsplรคtzen mit erhรถhtem Infektionsrisiko hรคtte die Pandemie sicher noch viel mehr Opfer gefordert. Das galt es zu vermeiden. Aber war es nรถtig die Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen oder Handlungen zu drรคngen, eine Dynamik des sozialen Drucks entstehen zu lassen, die fรผr Personen wie mich, die sich allein dem Impfen verweigerten, degradierende Kommentare und deutlich spรผrbare Ausgrenzungen nach sich zogen.

Zurรผck in das Jahr 2024. Corona hat mich also nun erreicht. Sie startete mit massiven Kopfschmerzen, Mรผdigkeit, Abgeschlagenheit. SchlieรŸlich der erste Test an einem Sonntagmittag. Und das Unerwartete wurde wahr: Der zweite Strich erschien.

Zu all den genannten Symptomen kamen enorme Schluckbeschwerden und ein massives Brennen im Hals hinzu. Dagegen halfen auch die wirksamsten Schmerzmittel nicht. Die Krankheitszeichen, sie lieรŸen nur sehr langsam nach. Bis heute erscheint beim Testen โ€“ fast zwei Wochen nach dem Beginn der Infektion sind nun ins Land gegangen โ€“ immer noch ein schwacher zweiter Strich. Geblieben sind Mรผdigkeit, immer wieder Kopfschmerzen, manchmal Schwindel. Das Schlimmste, so hoffe ich, ist mittlerweile vorbei.

Sicher ist, dass Corona auch im Jahr 2024 ernst genommen werden muss. Die Krankheit ist keine Lappalie, keine einfache Erkรคltung. Es lohnt sich also, sich, ganz besonders aber auch Andere zu schรผtzen. Wie man seinen Beitrag dazu leistet, dass sich Corona nicht wieder maรŸlos ausbreitet, das muss jeder selbst entscheiden. Das Tragen von Masken in geschlossenen Rรคumen im Winterhalbjahr verpflichtend zu machen, halte ich jedenfalls fรผr eine gute Idee. Aber dazu wird es nicht kommen. Denn die Pandemie ist ja vorbei, ganz offiziell.