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Vom Ausnutzen zum Ausbeuten

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Autor und Sprecher

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Elisabeth Siefert
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von MART PRODUCTION

Manche Menschen, sie haben durchaus die Neigung Ihresgleichen ungerecht zu behandeln und wenn sie Vorteile davon haben, das Gegenรผber auch auszunutzen. Dieses Phรคnomen lรคsst sich im Alltag gut beobachten: Geht es um persรถnliches Fortkommen, das Sichern immaterieller und materieller Besitzstรคnde fรผr den Einzelnen, gerne auch fรผr dessen Nachkommen, dann spielen die Bedรผrfnisse anderer, sozial oder finanziell schlechter gestellter Individuen hรคufig keine Rolle. Stattdessen werden deren offenbare Wettbewerbsnachteile zum Zwecke des eigenen Fortkommens instrumentalisiert und oft gewissenlos genutzt. Ein Verhaltensmuster, das sich sowohl im Privaten als auch in der Arbeitswelt immer wieder abbildet. Ein Verhaltensmuster, das mit dem Begriff โ€žasozialโ€œ noch milde beschrieben ist.

Die Zuspitzung dieses Phรคnomens liegt in der planvollen und systematischen Ausnutzung der Personen, die nach jedem Strohhalm greifen, um eine Verbesserung ihrer Lebensverhรคlt-nisse zu erreichen. Viel zu spรคt bemerken diese, dass der Preis, den sie bezahlen, eindeutig zu hoch ist und in persรถnlicher Unfreiheit mรผndet. Die Perversion des unertrรคglichen Ausbeutens des Anderen hat einen Namen: Moderne Sklaverei.

Zunรคchst einmal die Fakten: Die NGO โ€žFree Walkโ€œ hat unlรคngst die neusten Daten zu diesem Thema verรถffentlicht. Innerhalb von fรผnf Jahren ist die Zahl um 10 Millionen gestiegen, 50 Millionen Menschen leben und arbeiten unter Bedingungen, die mit dem Begriff der โ€žmodernen Sklavereiโ€œ zutreffend beschrieben sind.

Und es sind genau jene, deren Situation am fragilsten ist, die die wenigsten Aussichten auf ein gutes Leben haben: Migranten, welche ihr Zuhause aus unterschiedlichsten Grรผnden verlassen mรผssen, um รผberleben zu kรถnnen: Folgen des Klimawandels, Kriege, Missernten โ€“ sie erlauben immer รถfter kein Verbleiben an dem Ort, an dem man in die Welt gekommen ist.

Die Lรคnder, in denen die Menschen massiv und in groรŸem Umfange ausgebeutet werden, sie heiรŸen Nord-Korea, Saudi-Arabien, Tรผrkei, Vereinigte Arabische Emirate. Aber auch in China, Russland und in den Vereinigten Staaten wird die Situation der Migranten schonungslos zum eigenen Vorteile ausgenutzt.

Man kรถnnte also zunรคchst glauben, dass wir hier in Zentraleuropa nichts damit zu tun haben. Es lohnt sich genauer hinzuschauen: So berichtete der SRF Ende Januar dieses Jahres von Ausbeutungsstrukturen, die sich in Schweizer Nagelstudios zeigten. Erzรคhlt wurde die Geschichte von einer jungen Vietnamesin. Um ihre hoch verschuldete Familie zu entlasten und auf Druck der Glรคubiger ging sie nach Europa. Die Frau wurde gezwungen รผber Jahre in Restaurants und Nagelstudios zu arbeiten. Bei einer Polizeikontrolle eines solchen Studios fiel sie auf und wurde an die Fachstelle fรผr Frauenmigration und Frauenhandel weitergeleitet. Kein Einzelfall, bei 12 von 15 Polizeikontrollen trafen die Beamten auf Missstรคnde wie Schwarzarbeit, Beschรคftigungen ohne Vergรผtung, fehlende Aufenthaltsgenehmigungen und auch Scheinehen. Moderner Sklaverei kรถnnen wir folglich auch sehr direkt hier bei uns begegnen.

GrรถรŸer allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit der Thematik indirekt in Berรผhrung gekommen sind. Kleidung, elektronische Produkte, aber auch Palmรถl โ€“ diese und weitere Industrieerzeugnisse sowie auch landwirtschaftliche Gรผter โ€“ werden zum Teil unter Zwang oder in Abhรคngigkeit hergestellt. Es sind die globalen Lieferketten, die trotz der in einigen Lรคndern bereits geltenden Transparenzgesetze, nicht gut genug durchschau – und รผberprรผfbar sind, um ausschlieรŸen zu kรถnnen, dass Waren oder aber eben Teile derselben von modernen Arbeitssklaven produziert wurden.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Eine รถkonomische Binsenweisheit. Viele von uns sind nicht bereit, manche von uns aber eben auch nicht in der Lage, mehr fรผr Produkte zu bezahlen. Zusรคtzlich Geld fรผr faire Arbeitsbedingungen oder รถkologisch schonende Transporte auszugeben, kommt fรผr diese und weitere Gruppen nicht in Frage. Folglich werden uns Meldungen, wie jene รผber den stรคndigen Zuwachs an Arbeitssklaven, zwar fรผr den Moment vielleicht aufrรผtteln, darรผber hinaus wird sich allerdings wenig รคndern.

Wenn Konsumenten, Produzenten und Hรคndler, notwendige Verรคnderungen nicht selbst hervorbringen, dann ist es Aufgabe des Staates hier einzugreifen, zu regulieren. Ob das allerdings bei einem Problem, das ja globaler Natur ist und bei dem die Interessen einzelner Staaten nicht deckungsgleich sein werden, รผberhaupt mรถglich ist, das mag bezweifelt werden.