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Wo Meinungen aufeinander treffen

Vor Griechenland

Foto von Jakob Owens auf Unsplash

Autor und Sprecher

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Elisabeth Siefert
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Jakob Owens auf Unsplash

Berichten zufolge leiden sie an Dehydrierung, Unterkรผhlung bis hin zur Lungenentzรผndung. Zwei Palรคstinenser, zwรถlf Pakistaner, 43 ร„gypter, 47 Syrer. Einige von ihnen befinden sich im Krankenhaus. Sie leben. Sie haben รผberlebt. Sie sind 104 von ungefรคhr 750 Menschen, die sich tagelang auf einem Boot befanden mit der Hoffnung auf ein neues, besseres Leben auf dem Weg nach Italien.  Das Schiff mit dem sie unterwegs waren, sank vor Griechenland in der Nacht zum letzten Mittwoch, nicht weit entfernt vom Calypsotief im Mittelmeer. Und geschรคtzt 650 Menschen, sie verloren ihr Leben, 100 Kinder sollen auch dabei gewesen sein.

Das Ereignis hรคtte verhindert werden kรถnnen. Was die griechische Kรผstenwache genau getan bzw. unterlassen hat, darรผber besteht noch keine endgรผltige Klarheit. Sicher ist: Man hat das Schiff รผber mehrere Tage beobachtet. Der Pressesprecher der Behรถrde berichtet, dass zunรคchst Frachtschiffe in die Nรคhe des Flรผchtlingsbootes kamen, Proviant und Wasser รผber-gaben. Rettungsofferten, die spรคter ein Kรผstenwachboot unterbreitet hatte, seien zurรผckge-wiesen worden. Nach dem Ausfall des Motors sei es dann zu einer Panik an Bord gekommen, die schlieรŸlich zum Kentern gefรผhrt haben soll. 104 Menschen konnten gerettet werden. Bis Freitag suchte man nach weiteren รœberlebenden, erfolglos. Die Aktion wurde schlieรŸlich eingestellt.

Die erste Diskussion, sie entbrannte darรผber, ob es รผberhaupt hรคtte soweit kommen mรผssen. Wรคre die griechische Kรผstenwache nicht verpflichtet gewesen, in jedem Fall eine Rettungsaktion einzuleiten? Nach den Angaben der Behรถrde sei das von den Flรผchtlingen nicht gewollt worden. Schwierig, denn einige รœberlebende berichten das Gegenteil.

Schlimmer allerdings die nun laut werdenden Vorwรผrfe: Die Kรผstenwache habe versucht, das Flรผchtlingsboot mehrfach in Richtung Italien zu ziehen. Eine Art von Pushback, ein ZurรผckstoรŸen, damit man nicht nach Griechenland gelangt. Von insgesamt drei Versuchen berichten die รœberlebenden. Dies hรคtte dazu gefรผhrt, dass ihr Schiff schlieรŸlich instabil geworden und dann gekentert sei. Zu der Schilderung passt, dass man auf Fotos ein am Steuerbord des Bootes befestigtes Seil sehen kann. Zunรคchst wurden Berichte รผber den Versuch einer Pushback-Aktion von einem griechischen Regierungssprecher zurรผckgewiesen. Am Freitag gab man dann doch zu, dass โ€žein Seil geworfen worden seiโ€œ, allerdings etwa zwei Stunden vor dem Untergang.

Unter den รœberlebenden: Der Kapitรคn des Flรผchtlingsbootes und 8 Schleuser. Sie alle sind ร„gypter. Nachdem diese zunรคchst nach Kalamata verbracht worden waren, wurden sie dort nun festgenommen.

Entsetzlich die Katastrophe, im Raum die Frage nach der Schuld. Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine vollstรคndig gesicherten Erkenntnisse. Natรผrlich hรคtten die Schleuser die Menschen nicht der Gefahr aussetzen dรผrfen, selbstverstรคndlich hรคtte die Kรผstenwache schon beim Entdecken des Bootes eine groรŸ angelegte Rettungsaktion starten mรผssten, einfach aufgrund dessen, was man sehen konnte. Stimmen die Vorwรผrfe, dass man versucht hat, das Flรผchtlingsschiff in Richtung Italien zu pushen und diese Aktion den Untergang verursacht hat? Bei geschรคtzt 750 Menschen auf einem viel zu kleinen Boot hรคtte man das doch niemals auch nur erwรคgen dรผrfen.

Was hier geschehen ist, zeigt was eben nicht geschehen darf. Wird das durch die unlรคngst beschlossenen MaรŸnahmen der Reform des europรคischen Asylrechts verhindert werden kรถnnen? Nein, wenn Menschen kommen wollen, dann kommen sie, nicht abschรคtzbare Gefahren fรผr ihr Wohl und Leben in Kauf nehmend. Und sie haben โ€“ diesen Standpunkt vertrete ich nochmal sehr deutlich โ€“ jedes Recht zu kommen. Die Europรคer, viele von uns, leben in einer unvergleichlichen Wohlstandsblase. Es sind Bedingungen, von denen ein groรŸer Teil der Menschheit auf diesem Erdball nur trรคumen kann. Sich abschotten, sie zurรผckweisen oder inhaftieren โ€“ nichts davon wird verhindern, dass sie sich auf den Weg zu uns machen.

Viele Optionen haben wir nicht: Nachhaltig helfen und mit groรŸem finanziellem Aufwand die Menschen unterstรผtzen, da wo vor Ort die Mรถglichkeit besteht auf der einen Seite. Auf der anderen Seite die Tore offenhalten fรผr alle, die sich โ€“ aus welchem Motiv heraus auch immer โ€“ zur Flucht nach Europa entscheiden. Es ist die Humanste unserer Aufgaben, fรผr sie hier einen Platz zu finden. Dafรผr werden wir uns vielleicht einschrรคnken mรผssen, auch unser Leben wird sich verรคndern. Ein Teil dessen, was wir besitzen, werden wir vielleicht mit ihnen teilen mรผssen. Das aber ist in keiner Weise vergleichbar mit dem, was die Flรผchtlinge sich selbst abverlangt haben: das bisherige Leben hinter sich lassen, um ganz woanders auf dieser Welt neu anzufangen. Das ist etwas, was die Meisten von uns sich nicht einmal vor-stellen kรถnnen. Die bei uns Ankommenden werden vieles neu lernen, sich an eine fremde Umgebung gewรถhnen und sich in einer anderen Kultur zurechtfinden mรผssen. Bei all dem brauchen Sie vor allem eines von uns: Unterstรผtzung.