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Wehrhafte Demokratie auf dem Prüfstand: Warum ein AfD-Verbotsverfahren nötig ist
Hallo und herzlich willkommen zu unserer heutigen Podcast-Episode. Es geht um ein kontroverses Thema, das viele umtreibt: Sollte die Alternative für Deutschland, kurz AfD, durch ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Prüfstand gestellt werden?
Und zwar nicht aus blinder Verbotslust, sondern als rechtsstaatliche Prüfung – mit klarem Nutzen, ganz gleich wie das Verfahren ausgeht. Ich möchte heute ein stark pointiertes Plädoyer dafür halten und Ihnen darlegen, warum unsere Demokratie in jedem Szenario davon profitieren würde.
Verfassungsschutz warnt: AfD ist gesichert rechtsextrem
Zunächst der aktuelle Anlass: Der Verfassungsschutz hat die AfD Anfang Mai offiziell als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Das ist mehr als nur ein Etikett. Bisher galt die AfD als Verdachtsfall; jetzt aber bestehe „kein Zweifel mehr, dass die Partei insgesamt rechtsextremistisch ist“. Diese Neubewertung stützt sich auf ein über 1.000 Seiten starkes Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Darin wird detailliert belegt, warum die AfD eine „die Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung“ aufweist
– also warum sie als verfassungsfeindlich einzustufen ist, sagt der Verfassungsschutz.
Was bedeutet das? Kurz gesagt: Die Staatsschützer sehen in der AfD eine Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Das ist ein Paukenschlag, auch wenn er nicht völlig überraschend kommt. Teile der AfD – etwa der völkisch-nationalistische „Flügel“ um Björn Höcke – wurden schon früher vom Verfassungsschutz als extremistisch identifiziert. Dieser „Flügel“ hat sich 2020 offiziell aufgelöst, nachdem er als erwiesen rechtsextrem eingestuft worden war.
Doch an der Ausrichtung der Gesamtpartei hat das wenig geändert. Im Gegenteil: Inzwischen attestieren die Behörden der gesamten AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen. Angesichts dieser alarmierenden Entwicklung stehen wir vor der Frage: Wie wehrhaft ist unsere Demokratie? Reicht es, die AfD nur vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen? Oder muss die Politik jetzt reagieren – etwa mit einem Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht? Genau darüber streiten aktuell die Demokratinnen und Demokraten im Land. Viele rufen reflexartig: „Die AfD muss verboten werden – und zwar sofort!“. Andere – darunter auch der ehemalige Kanzler Olaf Scholz – warnen vor Aktionismus und einem „Schnellschuss“.
Ich meine: Wir sollten weder in blinden Aktionismus noch in Schockstarre verfallen. Warum gerade das? Schauen wir uns an, worin der Unterschied liegt.
Verbotswunsch vs. Verbotsverfahren: Rechtsstaat statt Schnellschuss
Ein Parteiverbotsverfahren ist keine bloße politische Entscheidung per Mehrheitsbeschluss, sondern ein gerichtliches Verfahren vor dem höchsten Gericht. Das ist ein entscheidender Unterschied. Natürlich könnten viele Demokraten auf die Idee kommen, die AfD einfach „loswerden“ zu wollen. Aber in unserem Rechtsstaat entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht, ob eine Partei verboten wird – und zwar strikt nach den Vorgaben des Grundgesetzes.
Weder die Regierung noch die Mehrheit im Parlament darf eine unliebsame Partei eigenmächtig verbieten. Genau das unterscheidet unsere wehrhafte Demokratie von autoritären Regimen: Wir bekämpfen die Feinde der Freiheit mit den Mitteln der Rechtsstaatlichkeit, nicht mit Willkür. Das Grundgesetz (Artikel 21 Abs. 2) erlaubt ein Parteiverbot nur unter hohen Hürden. Es reicht nicht, dass uns die Ziele oder die Parolen einer Partei missfallen. Verboten werden kann eine Partei erst dann, wenn sie aktiv die demokratische Grundordnung bekämpft und eine realistische Chance besteht, dass sie damit Erfolg haben könnte. Mit anderen Worten: Extremistische Gesinnung allein genügt nicht – die Partei muss zudem kämpferisch-aggressiv gegen die Demokratie vorgehen und eine echte Gefahr darstellen.
Diese Hürden sind bewusst so hoch, damit Verbote nicht zur Tagesordnung in politischen Auseinandersetzungen werden. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bislang nur zwei Parteiverbote (gegen die SRP 1952 und die KPD 1956). Spätere Versuche – etwa das NPD-Verbotsverfahren – scheiterten, sei es an Verfahrensfehlern oder daran, dass die betreffende Partei letztlich zu unbedeutend für eine echte Bedrohung gehalten wurde.
Ein Verbotswunsch aus politischem Ärger heraus ist also etwas ganz anderes als der Wunsch nach einem Verbotsverfahren. Ersteres wäre aktionistisch und möglicherweise undemokratisch. Letzteres hingegen bedeutet: Wir wollen, dass ein unabhängiges Gericht überprüft, ob die AfD verboten werden muss.
Dabei geht es nicht um Vorverurteilung, sondern um eine rechtsstaatliche Prüfung. Dieses Verfahren würde öffentlich stattfinden, mit Beweisen, Zeugen, Gutachten – all dem, was dazu gehört. Und am Ende stünde ein Urteil des Verfassungsgerichts. Genau dieses Verfahren fordere ich ein. Nicht, weil ich mir einfach wünsche, die AfD möge verschwinden, sondern weil ich der Meinung bin, dass wir der Demokratie einen Dienst erweisen, wenn wir Klarheit schaffen.
Drei Szenarien – und die Demokratie gewinnt immer
Was könnte ein solches Verbotsverfahren bewirken? Schauen wir auf die drei möglichen Szenarien, die ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit sich bringen könnte. In jeder dieser Entwicklungen – so unterschiedlich sie sind – sehe ich letztlich einen Gewinn für die Demokratie:
Szenario a) Die AfD mäßigt sich:
Angesichts eines drohenden Parteiverbots könnte die AfD gezwungen sein, sich von ihren extremistischen Positionen zu lösen. Unter dem Druck des Verfahrens könnte sich die Partei reformieren. Radikale Netzwerke innerhalb der AfD würden merken, dass es ernst wird – und moderate Kräfte hätten ein starkes Argument, um sich durchzusetzen. Die Partei würde eventuell ihre Verfassungstreue beweisen wollen, um einem Verbot zu entgehen. Wenn die AfD es tatsächlich schafft, ihre rechtsextremen Tendenzen abzulegen und demokratisch tragbar zu werden, wäre das ein großer Gewinn: Dann hätten wir eine Partei weniger, die unsere Werte gefährdet. Die Demokratie hätte einen extremistischen Brandherd entschärft, ohne dass ein Verbot ausgesprochen werden müsste. Dies muss eine Demokratie aushalten. Das diese Demokratie das kann hat sie bereits gezeigt: Es wird gerne vergessen, dass die „Linke“ faktisch eine Nachfolgerin der SED, also der Partei die für Schießbefehle und die tödlichen Schüsse an der Grenze verantwortlich war, ist. Diese Partei ist nicht nur in Parlamenten vertreten, sondern hat mit Bodo Ramelow auch bereits einen weithin geschätzten Ministerpräsidenten gestellt.
Szenario b) Die AfD spaltet sich:
Ein Verbotsverfahren könnte die inneren Widersprüche der AfD offenlegen und verstärken. Vielleicht würden sich die gemäßigten Mitglieder irgendwann abspalten, weil sie mit den rechtsextremen Parteifreunden nicht untergehen wollen. Denkbar wäre eine Abtrennung des ganz harten Kerns – quasi eine Selbstreinigung durch Spaltung. Der radikalste Flügel könnte dann immer noch separat verboten werden, sofern er die Kriterien erfüllt, während ein gemäßigter Rest als neue Partei weiterexistiert. Auch dieses Szenario würde die Demokratie stärken: Der extremistische Teil wäre isoliert und unschädlich gemacht, während eventuell ein restliches konservatives Protestpotenzial in einer verfassungstreuen Partei aufgefangen werden könnte. Ein solcher Prozess wäre sicherlich chaotisch, aber er würde Klarheit schaffen, wer innerhalb der AfD wirklich auf dem Boden der freiheitlichen Ordnung steht und wer nicht. Übrigens gab es schon einmal einen ähnlichen Vorgang: Als der Druck zu groß wurde, hat die AfD 2020 ihren rechtsextremen „Flügel“ offiziell aufgelöst – auch wenn das damals eher taktische Kosmetik war. Ein Verbotsverfahren würde diesen Druck vervielfachen.
Szenario c) Die AfD bleibt auf Extremkurs und wird verboten:
Das dritte mögliche Ergebnis ist, dass die AfD im Verfahren stur bei ihrer demokratiefeindlichen Linie bleibt, sämtliche Warnschüsse ignoriert – und am Ende tatsächlich vom Bundesverfassungsgericht verboten wird. Was würde das bedeuten? Zunächst einmal: Ein verfassungswidriger Akteur weniger auf der politischen Bühne. Die Demokratie hätte gezeigt, dass sie wehrhaft ist und ihre Feinde notfalls aus dem Verkehr ziehen kann. Natürlich verschwinden damit nicht automatisch die Probleme oder alle Ansichten der etwa 15% bis 20% Wähler, die hinter der AfD stehen. Aber ein Verbot zöge eine klare rote Linie: Bis hierhin und nicht weiter. Es wäre ein starkes Zeichen, dass unser Rechtsstaat eben doch Zähne hat gegen diejenigen, die ihn von innen heraus zerstören wollen.
In allen drei Fällen gewinnen die demokratischen Werte. Entweder die AfD mäßigt sich, sie zerlegt sich – oder sie wird mit rechtsstaatlichen Mitteln gestoppt. Keine dieser Optionen ist schlimmer, als das Nichtstun und Zusehen, wie eine immer radikaler werdende Partei ungestört weiter gedeiht.
Manche mögen einwenden: „Aber was ist mit den Wählern? Die verschwinden doch nicht einfach.“
Das stimmt – niemand zaubert zehn Millionen AfD-Wähler einfach weg. Doch darum geht es auch nicht. Ein Verbotsverfahren ist kein Allheilmittel gegen Rechtsextremismus in der Gesellschaft. Wir müssen weiterhin die Ursachen für ihre Wähler verstehen, bessere Politik machen, Vorurteile abbauen. Ja, es kann durchaus sein, dass wir einige Wähler der AfD nicht erreichen. Vermutlich handelt es sich bei diesem Teil um Wohlstandschauvinisten – also Menschen, die nationale Wirtschaftsinteressen vertreten und den eigenen oder den kollektiven Wohlstand gegen ‚Fremde‘ verteidigen wollen, denen sie eine Teilhabe als unverdient unterstellen. Doch wer unsere offene Gesellschaft ablehnt, weil sie teilt, schützt und integriert – der fordert nicht bessere Politik, sondern weniger Demokratie…
Aber das eine tun heißt nicht, das andere lassen. Wir können sehr wohl gegen die verfassungsfeindlichen Umtriebe einer Partei vorgehen und zugleich um die Wählerinnen und Wähler werben, die sich von ihr haben verführen lassen.
Gerade weil die Wählenden weiterhin da sein werden, ist es ja so wichtig, klare Grenzen zu setzen: Damit sichtbar wird, was legitim ist und was nicht. Die Demokratie darf sich nicht erpressbar machen nach dem Motto: „Weil so viele es wählen, muss es erlaubt sein.“ Nein – eine rote Linie bleibt eine rote Linie, auch wenn 25% der Leute dahinter stehen.
Keine parteitaktischen Spielchen auf Kosten der Demokratie
Leider hört man im politischen Berlin auch immer wieder parteitaktische Einwände gegen ein Verbotsverfahren. Da wird hinter vorgehaltener Hand spekuliert, ob ein AfD-Verbot nicht womöglich den einen Parteien nützen und den anderen schaden könnte. Manche Konservative denken vielleicht: Wenn die AfD weg wäre, könnten wir einen Teil ihrer Wähler zurückholen. Andere wiederum, z.B. aus dem linken Spektrum, unken insgeheim: Solange die AfD existiert, spaltet sie das rechte Lager und hält uns möglicherweise die Union vom Leib. Solche Kalküle sind kurzsichtig und zynisch. Hier geht es nicht um den nächsten Wahlerfolg von SPD, CDU/CSU, Grünen oder Linken – hier geht es um den langfristigen Schutz unserer demokratischen Ordnung.
Wenn Verantwortliche ein nötiges Verbotsverfahren aus opportunistischen Gründen verzögern oder ablehnen, dann spielen sie mit dem Feuer. Häufig hört man auch öffentlich strategische Argumente: „Man sollte die AfD lieber politisch stellen als juristisch verbieten. Ein Verbot könnte sie noch als Märtyrer stärken. Außerdem könnte so ein Verfahren scheitern – dann steht die AfD als Sieger da.“ Diese Bedenken kommen durchaus aus ehrlicher Sorge um die Demokratie. Doch ich halte sie für übertrieben oder falsch. Wer aus parteitaktischer Angst vor einer Blamage gar kein Verfahren anstrengt, übersieht den Schaden, den Untätigkeit anrichtet. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein warnte jüngst treffend: „Nichtstun wäre fatal.“
Jede weitere Radikalisierung und jeder Wahlerfolg der AfD macht es schwerer, überhaupt noch dagegen vorzugehen.
Wenn wir immer nur zusehen und auf den „richtigen Zeitpunkt“ warten, normalisiert sich das Extremistische immer mehr. Wollen wir wirklich erst abwarten, bis die AfD vielleicht in einem Bundesland (mit-)regiert, um dann zu merken, dass ein Verbot politisch kaum noch durchsetzbar ist? Nein – der beste Zeitpunkt zu handeln ist jetzt, wo alle Alarmglocken schrillen.
Transparenz statt Geheimpapiere: Demokratie braucht Klarheit
Ein wichtiger Punkt bei einem Verbotsverfahren ist die Transparenz. Einige kritisieren: „Aber der Verfassungsschutz arbeitet doch mit V-Leuten (Informanten) und geheimen Erkenntnissen. Wenn wir damit vor Gericht gehen, gefährden wir unsere Quellen.“ Diese Sorge kommt vor allem aus Sicherheitskreisen, denn tatsächlich war genau das im ersten NPD-Verbotsverfahren 2003 ein Problem. Damals stellte sich heraus, dass etliche führende NPD-Kader vom Verfassungsschutz bezahlt wurden.
Das Bundesverfassungsgericht brach das Verfahren ab, noch bevor es inhaltlich prüfen konnte, ob die NPD verfassungsfeindlich ist, weil unklar war, wie stark die Partei von staatlichen Informanten durchsetzt war. Die Richter verlangten für ein so einschneidendes Verfahren maximale Rechtssicherheit und Transparenz – zu Recht. Eine Lehre daraus war: Wer eine Partei verbieten will, darf Beweise nicht im Dunkeln halten. Natürlich ist Quellenschutz wichtig. Unsere Verfassungsschützer sollen weiter verdeckt Informationen sammeln können über gefährliche Extremisten. Aber die Demokratie lebt von Offenheit. Wir können und sollten ein Verbotsverfahren so vorbereiten, dass öffentlich verwertbare Belege für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD präsentiert werden können – ohne dass gleich die innere Sicherheit kollabiert. Vieles von dem, was der Verfassungsschutz zusammengetragen hat, basiert ja ohnehin auf öffentlichen Aussagen, Reden, Programmen und Aktionen von AfD-Funktionären. Man muss kein Geheimagent sein, um festzustellen, dass führende AfD-Politiker immer wieder rassistische, völkische, antisemitische oder geschichtsrevisionistische Töne spucken – man muss nur hinhören.
Dieses Material muss dann aber auch vollständig in das Verfahren eingebracht werden, damit das Gericht und die Öffentlichkeit es (mittelbar) sehen können. Genau deshalb fordern nun Stimmen aus der Politik, das umfassende AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes nicht unter Verschluss zu halten. Die Linkspartei etwa verlangt die vollständige Veröffentlichung dieses Berichts.
Nur wenn die Beweise im gerichtlichen Verfahren transparent sind, kann das Verfahren breite Akzeptanz finden. Und sollte das Verbotsverfahren scheitern, dann doch bitte nicht an Formfehlern aufgrund Geheimniskrämerei, sondern allenfalls daran, dass das Gericht die Auffassung vertritt, dass die AfD die hohen Hürden rechtlich nicht überschritten hat.
Die jetzt schon öffentlich vorliegenden Erkenntnisse „verdichten“ sich ja gerade zur Gewissheit, dass die AfD aktiv gegen die Menschenwürde und demokratische Prinzipien arbeitet. Warum also sollten wir diese Erkenntnisse nicht dem höchsten Gericht vorlegen? Eine wehrhafte Demokratie sollte den Mut haben, ihr belastendes Material im gerichtlichen Verfahren zu nutzen, anstatt es wegzuschließen und die Gefahr weiter schmorren zu lassen. Eine Veröffentlichung des Gutachtens ohne gerichtliches Verfahren lehne ich strikt ab.
Märtyrer-Mythos? Das wahre Problem ist mangelnde Konsequenz
Bleibt das Argument vom Märtyrer-Mythos: Gegner eines Verbotsverfahrens warnen oft, man spiele der AfD damit in die Karten, weil sie sich dann als Opfer stilisieren könne. Nun, man muss konstatieren: Die AfD inszeniert sich sowieso ständig als Opfer – ganz ohne Verbotsverfahren. Es gehört quasi zur DNA dieser Partei, sich als verfolgte Unschuld darzustellen. „Die AfD: ein Opfer von Eliten, politischen Gegnern, Medien“ – genau so präsentiert sie sich gerne öffentlich.
Schon jetzt, nach der Verfassungsschutz-Einstufung, trommeln die Parteichefs Weidel und Chrupalla, dies sei ein „schwerer Schlag gegen die Demokratie“ und eine politisch motivierte Kampagne gegen die AfD.
Mit Verlaub, diese Rhetorik der Umkehrung von Täter und Opfer ist nichts Neues. Rechte Propagandisten phantasieren seit Jahr und Tag, sie seien die “Märtyrer“ eines groß angelegten Feldzugs der etablierten Mächte. Fakt ist: Wer sich als Märtyrer sehen will, der wird immer einen Weg finden, sich so darzustellen. Ob wir nun hart gegen die AfD durchgreifen oder nicht – sie wird diese Erzählung in ihrem Milieu bedienen.
Die entscheidende Frage ist doch: Wen überzeugt dieses Narrativ? Der harte Kern der AfD-Anhänger glaubt ohnehin an solche Verschwörungsmythen. Aber die viel wichtigere Zielgruppe sind die noch Unentschlossenen, die breite Öffentlichkeit. Und gegenüber denen, behaupte ich, stärkt ein konsequentes rechtsstaatliches Vorgehen die Demokratie weit mehr, als es das Märtyrer-Gejammer der AfD ihr schaden könnte. Stellen wir uns vor, das Bundesverfassungsgericht kommt nach einem fairen Verfahren zu dem Schluss: Ja, diese Partei verfolgt verfassungswidrige Ziele und muss verboten werden. Dann ist das kein Akt willkürlicher Machtdemonstration, sondern ein gründlich begründetes Urteil.
Natürlich wird der AfD-Kosmos auch dann „Diktatur!“ schreien – aber es wird sehr schwer sein, damit außerhalb der eigenen Blase durchzudringen, weil ein unabhängiges Gericht entschieden hat, nicht die Regierung.
Falls das Gericht hingegen urteilt: Nein, ein Verbot ist nicht gerechtfertigt, dann fällt der ganzen Opfer-Inszenierung erst recht die Grundlage weg – denn was wäre das für eine „Diktatur“, die es nicht mal schafft, die Opposition zu verbieten?
In beiden Fällen nimmt man der AfD letztlich den Wind aus den Segeln: Entweder durch ein Verbot, das gerichtlich legitimiert ist, oder durch das Siegel der Verfassungsmäßigkeit, falls es denn dazu käme (worüber ich mich allerdings wundern würde). Die wirkliche Förderung des Märtyrer-Mythos liegt doch in der Zögerlichkeit des Staates. Solange nie konsequent durchgegriffen wird, kann die AfD immer weiter behaupten: „Seht her, sie lassen uns gewähren, also haben sie nichts Handfestes gegen uns – aber trotzdem werden wir gemobbt.“ Dieses ewige Lavieren nährt Verschwörungsdenken viel mehr als eine klare richterliche Entscheidung.
Bundesverfassungsgericht entscheidet – nicht die Regierung, nicht „die Straße“
Ein AfD-Verbotsverfahren legt das Schicksal der Partei in die Hände der einzigen legitimen Instanz dafür – nämlich des Bundesverfassungsgerichts. Damit entziehen wir das Thema dem parteipolitischen Taktieren und dem emotional aufgeheizten Feld der öffentlichen Debatte. Kein Innenminister, keine Regierungskoalition kann (und soll) eigenmächtig die AfD „verbieten“. Es muss in Karlsruhe passieren, mit den Maßstäben der Verfassung und durch die Richterinnen und Richter, die nur dieser Verfassung verpflichtet sind.
Ich finde, wir sollten Vertrauen in dieses Verfahren haben. Ein Gang nach Karlsruhe bedeutet nicht, dass die Regierung die Opposition zum Schweigen bringt. Es bedeutet, dass die Demokratie ihre Selbstschutz-Mechanismen prüft. Das Gericht wird alle Seiten anhören – die Beweise der Antragssteller (Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung können so einen Antrag stellen) und die Gegenargumente der AfD – und dann nach Recht und Gesetz entscheiden. Das ist die rechtsstaatlich sauberste Art, mit einer durch den Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Partei umzugehen. Alles andere – etwa die AfD einfach weiter im politischen Wettbewerb zu belassen in der Hoffnung, die Wähler „erledigen“ das schon – wäre entweder naiv oder fahrlässig.
Liebe Hörerinnen und Hörer, ich weiß, ein Parteiverbotsverfahren ist kein Allheilmittel. Es wird langwierig, komplex und kontrovers sein. Aber in jedem möglichen Verlauf dieses Weges steht am Ende ein Gewinn für die Demokratie – sei es Reinigung, Spaltung oder Entfernung dieser Partei aus unserem politischen System. Nichts tun ist keine Option mehr.
Vertrauen wir auf unseren Rechtsstaat und seine höchste Instanz. Lassen wir Karlsruhe prüfen, was Karlsruhe prüfen muss. Das Ergebnis – welches auch immer – wird uns Klarheit verschaffen. Und Klarheit ist genau das, was eine wehrhafte Demokratie braucht, um gegen ihre Feinde zu bestehen.
Vielen Dank fürs Zuhören. Bleiben wir wachsam und streitbar – für unsere Demokratie, gegen ihre Feinde.